Ältester erhaltener württembergischer Schmalspur-Personenwagen
Nachdem in der Ochsenhauser Wagenwerkstatt im vergangenen Jahr unsere drei Haubendachwagen eine Hauptuntersuchung erhielten, wurde im Herbst als vierter zu untersuchender Wagen der ehemalige Meterspurwagen KBi 21 Stg in die Werkstatt genommen. Das 1891 von der Maschinenfabrik Esslingen gebaute Fahrzeug ist vielen Eisenbahnfreunden unter dem Namen “Putzi” aus seiner Zeit bei der Jagsttalbahn bekannt.
Als einer von zwei Prototypen wurde der Wagen an die erste Schmalpurstrecke der königlich Württembergischen Staatseisenbahnen “Nagold-Altensteig” geliefert. Seine unsymmetrische Fensteraufteilung rührt daher, dass der Wagen ursprünglich nicht nur je ein zweite und dritte Klasse-Abteil hatte, sondern zusätzlich auch noch zwei Bänke im Freien auf einer der Plattformen. Bis 1960 war der Wagen im Schwarzwald im Einsatz. Danach folgten noch fünf Jahre bei der Schmalspurbahn “Mosbach – Mudau”, ehe der Wagen ausgemustert und verkauft wurde. Das Fahrwerk wurde entfernt. Der Wagenkasten diente einer Imkerei als Lagerraum. 1975 kauften Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahn-geschichte e.V. das Wrack, arbeiteten ihn für die Jagsttalbahn wieder auf und spurten ihn dazu auf 750 mm-Spurweite um. Leider war dort 1988 mit der Einstellung des Museums-verkehrs wieder Schluss. Bis 1997 stand der Wagen wieder mit ungewissem Schicksal auf dem Abstellgleis, ehe er zum Öchsle überstellt und schließlich vom Verein übernommen wurde. Es stellte sich aber heraus, dass am Wagen doch umfangreiche Arbeiten zur Wiederinbetriebnahme erforderlich sind. Ein erster Start zur Wiederinbetriebnahme erfolgte 2004, als der Rahmen sandgestrahlt und neu lackiert wurde. Auch beide Radsätze wurden überarbeitet und mit neuen Achswellen versehen. Leider stockten die Arbeiten dann. Immerhin hatte der Wagen fortan einen trockenen Platz im Lokschuppen.
Da bedingt durch den Fristablauf bei allen “Schlieren-Wagen” zur Saison 2013 dringend Platzkapazität benötigt wird, entschloss sich die Ochsenhauser Werkstattmannschaft diesen historisch besonders wertvollen Wagen in Angriff zu nehmen. Da Fahrwerk, Bühnen und Teile der Verblechung seinerzeit bei der DGEG erneuert wurden, sind diese Komponenten noch in gutem Zustand. Nur wenige kleinere Bleche müssen ersetzt werden. Komplett neu gebaut werden müssen jedoch die Fenster und auch das gesamte Dach inklusive der Spriegel zeigte sich nach Entfernen der Dachfolie als sehr marode. Es muss komplett erneuert werden. Auch am übrigen Holzaufbau müssen einige Schäden behoben werden, obwohl der Wagen durch seine Fensterkonstruktion recht resistent gegen eindringendes Wasser ist. Außerdem muss der Wagen technisch mit Kupplung, elektrischer Zugsammelschiene und Heizung an die übrigen Wagen angepasst werden.
Bei der Aufarbeitung soll der Wagen auch in seinen historischen Zustand zurück versetzt werden. Dazu müssen Teile der Inneneinrichtung nachgebaut werden. Auch die Bänke im Freien fehlen. Vielleicht gelingt es sogar die 2. Klasse wieder mit Polsterbänken auszustatten. Je nach Zeitaufwand werden diese Arbeiten in einem zweiten Schritt nach Saisonende ausgeführt. Vorrangiges Ziel ist, dass die Plätze des Wagens in der Saison 2013 spätestens zum Start der Donnerstagsfahrten zur Verfügung stehen.
Komplett ausgeräumt, ohne Dach, mit teilweise demontierten Blechen aber schon teilweise abgeschliffen präsentiert sich unser “Stuttgart 21” am 15. Dezember 2012 im Lokschuppen Ochsenhausen.
Alle hölzernen Dachspriegel des Wagens müssen neu gefertigt werden. Dies geschieht aus Eichenholzlatten in Form eines Leimbinders, der mit einer speziellen bereits vielfach bewährten Vorrichtung in der Ochsenhauser Schreinerei geformt wird. Sascha Eichler und Gerhard Baum bearbeiten die Spriegel am 22. Dezember 2012.