Hochfliegende Pläne – Feierliche Eröffnung am 30. November 1899 – Im Dienst der Reichsbahn – Aufschwung in der Nachkriegszeit – Niedergang und zweiter Frühling

Nachdem zwischen 1846 und 1850 die Südbahn von Ulm an den Bodensee nach Friedrichshafen gebaut worden war, kam bald der Wunsch zur Feinerschließung der oberschwäbischen Region auf.

Hochfliegende Pläne

Wie an vielen Orten, kamen schnell hochfliegende Pläne auf, wie die Region am sinnvollsten zu erschließen sei; 1879 beschäftigte sich die Königlich Württembergische Staatseisenbahn mit dem Bau eines 750 mm-Schmalspurnetzes Biberach (Riß) – Ochsenhausen – Memmingen, wobei in Ochsenhausen eine Verbindung über Bad Wurzach nach Roßberg sowie in Richtung Norden nach Schwendi und Laupheim geschaffen werden sollte. Realisiert wurden letztendlich nur wenige der großen Pläne, und spätestens mit dem Bau der normalspurigen Verbindung Aulendorf – Kißlegg – Memmingen waren die Pläne für ein großes Netz vom Tisch.

Dennoch gab es nach wie vor Bestrebungen zur Schaffung einer normalspurigen Bahnlinie Biberach (Riß) – Ochsenhausen, die diesmal von einem lokalen Eisenbahnerkomitee ausgingen. 1890 präsentierte die Regierung schließlich ihre Pläne zum Bau der Strecke über Warthausen, Äpfingen, Sulmingen, Maselheim und Reinstetten nach Ochsenhausen. Eine kürzere Verbindung zwischen den beiden Orten über Ringschnait wurde aufgrund geländebedingter Probleme nicht ausgewählt.

Per Gesetz vom 07. Juni 1897 war der Bahnbau beschlossene Sache, nun allerdings doch als Schmalspurbahn mit der für Württemberg typischen Spurweite von 750 mm.

Feierliche Eröffnung am 30. November 1899

Die Bauarbeiten begannen unmittelbar danach, zogen sich insbesondere im Bereich Biberach – Warthausen jedoch hin. Grund dafür waren Probleme bei der Trassenführung: So war zunächst geplant, ein Dreischienengleis auf der Südbahn zwischen beiden Orten einzubauen, was aufgrund des Verkehrsaufkommens auf der Südbahn aber schnell wieder verworfen wurde. So wurde eine niveaugleiche Streckenkreuzung zwischen Schmalspurbahn und Südbahn etwas südlich des Warthausener Bahnhofs, wo sich die Umladeanlagen für Fracht aus Normalspurwagen in die Schmalspurwagen befanden, angelegt. Im spitzen Winkel überquerte die Schmalspurbahn die Südbahn, abgesichert durch Flügelsignale und Schutzweichen auf der Hauptstrecke.

Am 30. November 1899 wurde dann schließlich der Betrieb zwischen Warthausen und Ochsenhausen feierlich eröffnet und ab dem 1. März 1900 ging es schließlich weiter bis nach Biberach (Riß). Dort war eigens eine kleine Drehscheibe auf dem Bahnhofsvorplatz für die schmalspurigen Züge errichtet worden.

Fahrbetrieb startet mit zwei Dampfloks

Historische Aufnahme der 99 633

Zunächst standen für den Fahrbetrieb auf der Schmalspurbahn zwei Dampfloks der württembergischen Gattung Tssd zur Verfügung. Der Wagenpark bestand aus 8 Personenwagen, zwei Gepäckwagen, diversen verschiedenen Güterwagen und 3 Rollbockpaaren. Zunächst verkehrten täglich zwei Personenzugpaare sowie ein Güterzug mit Personenbeförderung (GmP).

Am 19. November 1900 konnte dann auch der Betrieb zwischen Warthausen und Biberach aufgenommen werden, wodurch eine dritte württembergische Tssd zum Öchsle gelangte. Die Aufbockung von normalspurigen Güterwagen fand jedoch weiterhin in Warthausen statt, da dort ja bereits die benötigten Rollbockgruben vorhanden waren. Die Strecke Warthausen – Biberach diente somit hauptsächlich dem Personenverkehr.

Nachdem 1906 die Südbahn zweigleisig ausgebaut wurde, wurde die niveaugleiche Streckenkreuzung zwischen dem Öchsle und der Südbahn nach Warthausen verlegt. Zudem wurde dort eine Unterführung von den normalspurigen Gleisen zur Schmalspurbahn gebaut. 1914 gelangte eine vierte württembergische Tssd nach Ochsenhausen.

Im Dienst der Reichsbahn

1920 übernahm die Deutsche Reichsbahn Gesellschaft (DRG) das Öchsle, was eine Reihe von Modernisierungsmaßnahmen zur Folge hatte. So wurde der Oberbau erneuert. In Ochsenhausen wurde ein neuer Güterbahnhof mit normalspurigen Ladegleisen und zwei Rollbockgruben errichtet. 1924 erfolgte jedoch die Stilllegung des Haltepunktes Goppertshofen. Dennoch ging es mit den Verbesserungsmaßnahmen im Betrieb weiter; 1928 lösten Dampfloks der sächsischen Gattung VI K (spätere Baureihe 99.64 – 99.65) die Dampflokomotiven des Anfangsbestandes weitgehend ab. Die Maschinen konnten auf anderen württembergischen Schmalspurbahnen mit einer Spurweite von 750 mm verwendet werden, beispielsweise auf der naheliegenden Federseebahn. Bald nach der Einführung der neuen Loks wurden die Drehscheiben an den Endpunkten entfernt.

Durch die Ausbaumaßnahmen der Reichsbahn erlebte der Rollbockverkehr einen starken Aufschwung; so verkaufte die DRG im Jahr 1940 den größten Teil der schmalspurigen Güterwagen nach Österreich, da man sich auf den Rollbockverkehr konzentrierte und viele Güterwagen nicht mehr benötigt wurden. Die verbliebenen Güterwagen standen für dienstliche Zwecke oder den Transport von Stückgütern zur Verfügung.

Während des zweiten Weltkrieges kam es zu verschiedenen Unglücken auf der Strecke; der Morgen des 06. Januars 1944 ging so in die Geschichte des Öchsles ein. Trotz haltzeigenden Signals rammte ein Personenzug von Friedrichshafen nach Ulm den GmP 303 von Ochsenhausen nach Biberach, als dieser gerade die niveaugleiche Streckenkreuzung bei Warthausen überfuhr. Viele der schmalspurigen Wagen wurden komplett zerstört, es gab 12 Tote sowie eine große Anzahl verletzter Personen. Im Mai 1945 wurde der Ochsenhausener Bahnhof durch einen Fliegerangriff beschädigt, konnte jedoch nach kurzer Zeit wieder aufgebaut werden.

Recht lange Güterzüge waren bis zur Stilllegung keine Seltenheit, hier bei Reinstetten. Foto: Ulrich B.

Gerade in der Nachkriegszeit erlebte die Strecke nochmals einen Aufschwung, doch wie bei sovielen anderen Schmalspurbahnen auch begann das Öchsle schnell an Bedeutung zu verlieren, der Straßenverkehr war nun angesagt. Die Bundesbahn begann ab den 1950er Jahren, den Fahrplan stark einzuschränken und die Bahnhöfe Äpfingen, Maselheim und Reinstetten in Haltepunkte umzuwandeln.

Dampflok 99 650 im Jahr 1963 in Warthausen

Nun musste die Bundesbahn zu Beginn der 1960er Jahre auch noch nach neuen Betriebsmöglichkeiten für ihre verbliebenen Schmalspurbahnen in Baden-Württemberg suchen, da ein Weiterbetrieb mit den komplett veralteten Lokomotiven nicht mehr möglich war. So bestanden für die Strecken entweder die Möglichkeit, den Betrieb einzustellen oder aber auf Dieselbetrieb umzustellen. Aus diesen Überlegungen ging bei der Bundesbahn 1964 die Baureihe V 51 hervor, eine der V 100 ähnelnden Schmalspurdiesellok für Strecken mit einer Spurweite mit 750 mm. Gebaut wurden 3 Exemplare (V 51 901 – 903), wovon V 51 901 für das Öchsle vorgesehen war. Die anderen Maschinen landeten bei der Bottwartalbahn und der Federseebahn.

Niedergang und Stilllegung

Den Plänen der Bundesbahn nach zur Folge sollte die neue Lok jedoch nur den Güterverkehr übernehmen, für den Personenverkehr war bereits zu diesem Zeitpunkt schon die Einstellung vorgesehen. Durch den aufkommenden Individualverkehr sowie durch die parallele Buslinie Biberach – Memmingen waren die langsamen Schmalspurzüge nicht mehr zeitgemäß und schon lange Zeit nicht mehr ausreichend ausgelastet. So fuhr schon vor der Verdieselung, am 31. Mai 1964, der letzte reguläre Personenzug zwischen Biberach und Ochsenhausen. Zuvor wurden nochmals zahlreiche Sonderfahrten zum Abschied durchgeführt.

Somit wurde auch die Strecke zwischen Warthausen und Biberach nicht mehr benötigt und abgebaut, da die Verladung der Güterwagen auf Rollböcke ja in Warthausen stattfand.

Die V 51 901 übernahm dann Ende 1964 den Güterverkehr. 99 651 und 99 650 waren nach 1964 nicht mehr als Reserve auf dem Öchsle. Sie wurden 1964 zur Bottwartalbahn umbeheimatet. Ersatzlok war 99 633, die dazu immer zwischen Buchau und Ochsenhausen getauscht wurde. Sie wurde erst ausgemustert, als nach Stilllegung der Bottwartalbahn und der Federseebahn alle drei V 51 nach Ochsenhausen kamen. 1969 endete der Dampfbetrieb auf dem Öchsle unter Bundesbahnregie dann vollständig und die Baureihe 251, in die die V 51 nach der Einführung der Computernummern umbenannt worden war, bestritt den Güterverkehr.

Und hier gab es nach wie vor einiges zu tun; das Liebherr-Werk in Ochsenhausen, das schon 1953 eröffnet worden war, bescherte der Bahn genügend Fracht, sodass dort extra eine neue Rampe gebaut wurde, mit der aufgebockte Güterwagen direkt beladen werden konnten. In Äpfingen, Maselheim und Reinstetten wurden private Gleisanschlüsse bedient. Neben dem Transport von Kühlschränken des Liebherr-Werkes spielte auch der Transport von Holz eine wichtige Rolle. Lange Güterzüge waren keine Seltenheit.

1970 kamen auch die 251 902 und 903 zum Öchsle, nachdem sowohl Bottwartalbahn als auch Federseebahn zwischenzeitlich stillgelegt worden waren. Da für den Betrieb zwei Dieselloks jedoch vollständig ausreichten, wurde die 251 901 im Jahre 1971 an die Steiermärkischen Landesbahnen in Österreich verkauft, wo die Lok auf 760 mm umgespurt wurde (Heute verkehrt diese Lok in blauer Lackierung beim „Rasenden Roland“ auf Rügen). Fortan dieselten sowohl 251 902 als auch 251 903 vor den Güterzügen über die Strecke.

Doch auch der moderne Dieselbetrieb und die langen Güterzüge, die der Strecke noch ein recht langes Leben bescheren sollten, konnten nicht darüber hinweg täuschen, dass die Zeit der Schmalspurbahnen abgelaufen war. Nachdem die Bahnanlagen immer baufälliger wurden, war für die DB die Möglichkeit zur Umspurung oder zur Einstellung des Betriebs gegeben. Und so rumpelte am 31. März 1983 der letzte Güterzug der Bundesbahn über die Strecke, wobei die Stilllegung schon ab 1981 konkret geplant war. Das Öchsle war zum damaligen Zeitpunkt übrigens die letzte Schmalspurbahn der Bundesbahn auf deutschem Festland, die sich noch im Regelbetrieb befand. Eine andere Besonderheit in Baden-Württemberg war noch die Laichinger Bahn (1000 mm), die unter Regie der WEG noch bis 1985 in Betrieb war. So zogen die schmalspurigen DB-Züge in den letzten Betriebsjahren noch zahlreiche Eisenbahner nach Oberschwaben, die diese verbliebene Schmalspurbahn der DB noch erleben wollten.

Zweiter Frühling als Museumsbahn

Foto: H. Thalmann

1984 formierte sich der Öchsle Schmalspurbahn e.V. , der die Strecke als technisches Denkmal erhalten wollte. Durch seine Aktivitäten übernahmen im selben Jahr die Anliegergemeinden und der Landkreis Biberach die gesamte Strecke sowie die Gebäude von der Bundesbahn, wodurch ein Abbau vermieden werden konnte. Die Gütergleise in Reinstetten, Äpfingen und Ochsenhausen wurden abgebaut und die Grundstücke verkauft. Um einen Museumsbetrieb einzurichten, musste jedoch neues Rollmaterial angekauft werden, da die Personenwagen unmittelbar nach der Einstellung des Personenverkehrs 1964 abgezogen oder verschrottet worden waren. So beschaffte man Fahrzeuge aus Polen, Österreich und der Schweiz. Für den Betrieb waren noch verschiedene Sanierungsarbeiten an der Strecke notwendig, bis am 29. Juni 1985 der erste Museumszug, gezogen von der verbliebenen 251 902, über die Strecke fuhr. Für den Betrieb war zuvor von Vereinsmitgliedern die Öchsle Schmalspurbahn GmbH gegründet worden.

Aufgrund von internen Problemen der Betreibergesellschaft und notwendigen Sanierungsmaßnahmen an der Strecke musste der Museumsbetrieb Ende 1991 wieder eingestellt werden. Da die Konzessionen der Gesellschaft jedoch bis 1995 galten, konnte vorher keine andere Gesellschaft den Museumsbetrieb reaktivieren. Geplant war eine Reaktivierung für das Jahr 1996, wobei in der Zwischenzeit die Strecke saniert sowie neues Rollmaterial für den Museumsbetrieb beschafft werden sollte. So wurde die originale Museumslok, die 251 902, 1996 abgezogen und zunächst in Bad Waldsee hinterstellt. 2006 wurde die nicht mehr betriebsfähige Maschine dann zerlegt.

Für die Reaktivierung im Jahr 1996 sollten für den Fahrbetrieb und den Infrastrukturbetrieb getrennte Gesellschaften eingerichtet werden; für letzteres wurde die Öchsle Bahn AG gegründet, wobei die Anliegergemeinden, der Landkreis Biberach und die Kreissparkasse die Hauptgesellschafter sind. Für den Fahrbetrieb wurde die Eisenbahn-Betriebsgesellschaft Ochsenhausen GmbH gegründet, die neues Rollmaterial aus der Schweiz und aus Sachsen beschaffte, da die Öchsle Schmalspurbahn GmbH ihre Fahrzeuge abgezogen hatte. So wurde schließlich am 25. Juli 1996 der Museumsbetrieb zum zweiten Mal aufgenommen. Zum Einsatz kam dabei die 99 716 „Rosa“, die baugleich mit den früher eingesetzten Loks der Baureihe 99.65 war.

Ende 2000 kam das Öchsle erneut in Schwierigkeiten, denn nun musste die Strecke aufgrund von gravierenden Oberbaumängeln gesperrt werden. Jedoch liefen umgehend die Planungen zur Wiederaufnahme des Betriebs an. So wurde 2001 die Öchsle Bahn Betriebs-GmbH gegründet, die bis heute den Fahrbetrieb durchführt und deren Hauptgesellschafter der Landkreis Biberach und die Stadt Ochsenhausen sind. Die Eisenbahn-Betriebsgesellschaft Ochsenhausen wurde liquidiert.

Für die umfangreichen Sanierungsmaßnahmen wurde eine Kapitalerhöhung der Öchsle Bahn AG notwendig, zudem wurde eine weitere Schmalspurlok aus Sachsen beschafft, die 99 788 „Berta“. Zum 1. Mai 2002 ging die Museumsbahn dann zum dritten Mal in Betrieb. Im Jahr 2006 wurde die neue Betriebshalle in Warthausen eröffnet; seitdem beginnen und enden die Museumszüge auch dort.

99 716 in Ochsenhausen, anlässlich der WM der Fahnenschmuck. Foto: C. Eßlinger
V 51 903 als Originallok wieder in Ochsenhausen. Foto: C. Eßlinger

Heute verkehrt das Öchsle alle Sonntage und am 1. + 3. Samstag im Monat, sowie zusätzlich an allen Donnerstagen im Juli, August und September, von Juli bis September zusätzlich auch noch Donnerstags zwischen Warthausen und Ochsenhausen. Bespannt werden die Züge entweder mit der 99 716 oder der 99 788. Darüber hinaus ist als Originaldampflok noch die Malletlokomotive 99 633 (Maschinenfabrik Esslingen, 1899) erhalten, die durch den Vorspann der Serie „Eisenbahnromantik“ bekannt geworden ist. Die Maschine steht abgestellt im Ochsenhausener Lokschuppen und soll, sobald alle Finanzierungsfragen geklärt sind, wieder aufgearbeitet werden, wozu der Einbau eines neuen Kessels nötig ist. Zudem sind beim Öchsle heute 3 Dieselloks vorhanden; die nicht betriebsfähige V 15 908 (Gmeinder, 1946), die seit 2007 leihweise für Bau- und Sonderzüge von der Jagsttalbahn geholte V 22-01 (Gmeinder, 1965) und seit 2009 als Originaldiesellok die V 51 903 (Gmeinder, 1964), die einige Zeit in Spanien im Bauzugdienst eingesetzt wurde. Die Lok wird derzeit wieder betriebsfähig aufgearbeitet und optisch in den originalen Bundesbahnzustand zurückversetzt. Sie soll anschließend wieder wie früher auf der Strecke zum Einsatz kommen.

Pro Jahr besuchen bis zu 50.000 Fahrgäste das Öchsle.

In den Jahren 2008 – 2010 werden die Museumszüge ausschließlich von 99 716 gezogen, da 99 788 einer umfangreichen Hauptuntersuchung unterzogen wird.

Autor: Christoph Eßlinger